Ich habe einen Bandscheibenvorfall, und jetzt?
Die Diagnose Bandscheibenvorfall löst bei vielen Menschen verständlicherweise große Sorgen und Ängste aus. Dem möchte ich gerne entgegenwirken und Aufklärung betreiben. Dementsprechend werden Sie in den folgenden Beiträgen mehr über die Akte ‚Bandscheibe‘ lernen.
Was ist eine Bandscheibe denn überhaupt?
Eine Bandscheibe, oder auch im Fachjargon Discus genannt, funktioniert wie ein Stoßdämpfer beim Auto, der Schlaglöcher abfedert. In der Wirbelsäule dient dieser Stoßdämpfer dazu, Belastungen innerhalb der Wirbelsäule abzupuffern, damit diese nicht so stark auf die Wirbelkörper selbst einwirken können.
Dieser natürliche Stoßdämpfer, die Bandscheibe, liegt also zwischen den einzelnen Wirbeln der Wirbelsäule. Immer wenn man hüpft oder springt, werden die in der Wirbelsäule entstehenden Kräfte, bevor sie auf die Knochen der Wirbelkörper treffen, von den Bandscheiben abgefangen, damit diese weniger verschleißen oder gar brechen.
Und was ist ein Bandscheibenvorfall?
Um sich einen Bandscheibenschaden besser vorstellen zu können, sehen wir uns einmal den Aufbau eines solchen Discus näher an. Stellen Sie sich die Bandscheibe wie ein Nimm Zwei-Kaubonbon mit flüssigem Kern vor. Die Bandscheibe hat eine härtere Schale, die Kaubonbonhülle, die aus elastischen Fasern besteht, und einen gallertartigen Kern, den flüssigen Inhalt des Bonbons. Dieses Gummidingens liegt also zwischen zwei Wirbeln und verrichtet seine Arbeit. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Und verschleißt kontinuierlich, wie der Stoßdämpfer beim Auto. Auch wenn die Bandscheibe glücklicherweise deutlich länger hält als ein Autostoßdämpfer, ist sie nicht so leicht zu ersetzen. Ist der Verschleiß zu groß und sie überlastet oder geht kaputt, sprich man ab diesem Zeitpunkt von einem Bandscheibenschaden.
Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Im ersten Fall führt der Druck auf die Bandscheibe alias „das Kaubonbon“ dazu, dass sie zusammengepresst wird. Das bedeutet sie wird etwas flacher und beult sich an der Stelle des höchsten Druckes minimal aus.
Das nennt man dann eine Bandscheibenvorwölbung, auch Discusprotrusion genannt. Betrachten wir wieder das Kaubonbon ist im zweiten Fall der Druck so groß, dass die Hülle nicht standhalten kann, das Bonbon platzt und der flüssige Kern austritt. Auf die Bandscheibe übertragen, reisst deren Faserring auf und der gallertartige Kern tritt aus. Wir haben nun einen Bandscheibenvorfall, den sogenannten Discusprolaps.
Egal welcher Fall eingetreten ist, sagt das noch nichts über die Schwere der Beschwerden aus. In meiner zwanzigjährigen Praxis habe ich große, aber vollkommen schmerzfreie Vorfälle gesehen, sowie winzig kleine Vorwölbungen, bei denen Patienten vor Schmerzen geschrieen haben. Entscheidend für die Stärke der Beschwerden ist immer die Lage bzw. die Stelle, an der der Druck entsteht. Befinden sich an diesem Ort keine Nerven, sind quasi keine Beschwerden vorhanden. Drückt der Vorfall eben genau und direkt auf den Spinalnerv, das ist der Nerv, der zwischen zwei Wirbeln aus dem Rückenmark kommt, können die Beschwerden massiv sein.
Zu welchen Beschwerden kann es denn bei einem Bandscheibenschaden kommen?
Das ist abhängig von der Aufgabe der betroffenen Nervenfasern. Es gibt nämlich zwei Arten von Nerven. Zum einen die motorischen Nerven, die dafür sorgen, dass die Muskulatur richtig funktioniert. Und zum anderen die sensorischen Nerven, die verschiedene Reize aus der Umwelt wie Wärme, Kälte, Druck etc. an das Gehirn weiterleiten. Diese Reize werden dann im Gehirn verarbeitet und die entsprechenden Befehle über die senorischen an die motorischen Nerven gesendet.
Sind die motorischen Nerven betroffen, dann entstehen muskuläre Symptome wie Lähmung, Muskelschwäche, Bewegungsausfälle. Sind hingegen die sensorischen Nerven betroffen, entstehen Schmerzen, Taubheit, Pelzigkeit, Kribbelgefühle, Ameisenlaufen, Brennen, also Symptome, die die Wahrnehmung beeinflussen. Verwunderlich ist für viele Patienten oft auch, dass der Ort der Beschwerden vermeintlich überhaupt nichts mit dem Ort des Geschehens zu tun hat. Die Schmerzen müssen nicht zwangsläufig im Rücken auftreten, sondern vielleicht im Oberschenkel.
Um zu verstehen, warum das so ist, stellen Sie sich ein Glasfaserkabel vor, das ihren Haushalt mit Internet versorgt. Wird das Kabel zum Beispiel bei Bauarbeiten beschädigt, und einige der Glasfasern, aus denen das Kabel besteht, durchtrennt, fällt nur bei den betroffenen Haushalten das Internet aus. Diejenigen Haushalte, die durch die übrigen, intakten Glasfasern versorgt werden, können weiterhin ungestört Googlen und Netflixen. Ähnlich funktioniert es bei den Nerven. Wenn also die Fasern für den Rückenbereich betroffen sind, treten dort Schmerzen auf. Sind allerdings die Fasern für den Rücken intakt und zum Beispiel nur diejenigen für den Oberschenkel lädiert, treten eben dort Schmerzen auf.
Wie Sie sehen können die Beschwerden sehr unterschiedlich sein und an den verschiedensten Körperregionen auftreten. So ist es auch mit der Intensität der Beschwerden. Diese kann von ganz leicht und kaum wahrnehmbar bis hin zu “Ich kann es kaum noch aushalten” sein. Das ist abhängig von der Art, der Lokalisation und der Menge der einzelnen Fasern, die betroffen sind und der Schwere des Schadens, den die Bandscheibe angerichtet hat. Oft wundern sich die Patienten auch, dass die Beschwerden nicht permanent sind, sondern kommen und gehen. Schwer vorstellbar, wenn man sich das Glasfaserbeispiel vor Augen hält. Schliesslich haben die Bauarbeiten die entsprechenden Fasern irreversibel zerstört. Der Körper aber ist ein lebendiges System, er ist nicht statisch. Und so kann es eben sein, dass der Vorfall in bestimmten Körperhaltungen genau auf den Nerv drückt und die schlimmsten Schmerzen verursacht, während er in einer anderen Position vollkommen entlastet ist und überhaupt keine Beschwerden auslöst.
All diese erwähnten Beschwerden müssen allerdings nicht durch einen Bandscheibenschaden verursacht sein. es gibt zig andere Ursachen dafür. Seien Sie also nicht besorgt, wenn Sie sich in diesem Beitrag wiedererkennen. Das bedeutet nicht unweigerlich, dass Sie einen Bandscheibenschaden haben.
Wie so oft in der Medizin: alles kann, nichts muss. Nur sollten Sie beim Auftreten solcher Symptome daran denken, dass es von der Bandscheibe kommen könnte und zur Abklärung einen Fachmann aufsuchen. Doch selbst wenn es ein Bandscheibenvorfall sein sollte, ist das kein Weltuntergang. Man kann das sehr gut behandeln.
Haben Sie konkrete Fragen oder wünschen Sie eine Beratung, dann vereinbaren Sie gerne einen Termin mit uns.
Wenn Sie bei sich eines oder mehrere der folgenden Symptome wahrnehmen,
sollten Sie einen Bandscheibenvorfall abklären lassen:
- Schmerzen
- Ausstrahlung der Schmerzen in Arme und Beine
- Kribbeln
- Ameisenlaufen
- Pelzigkeit
- Taubheit
- Lähmungserscheinungen
- Muskelschwäche
- Störungen beim Wasserlassen
- Störungen bei der Darmentleerung